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Poetry

Estland im November

Ein grauer Schleier von Depression zieht von der Ostsee übers Land und steigt wie Nebelschwaden über den Mooren hinauf.

Ein Land von Feen verzaubert, das Gespenst der vergangenen Sowjetzeit abschüttelnd. Vom Pioniergeist und einem unbändigen Willen getrieben, bereit für die Freiheit und Unabhängigkeit einzustehen. Kraftvoll und mit Begeisterung eine friedliche Revolution herbei singend. Zwischen innerer Zerrissenheit dem Wandel der Zeit begegnend.

Ein Land zwischen den Welten.

Während die kreative Szene die alten verlassenen Fabriken an der Telliskivi zum Treffpunkt für Inspiration erkoren hat, schwebt durch die Straßen der Vororte ein Hauch von Wodka. Die Gesichter fahl, huschen zwischen den Wohnsilos – einst Heimat unzähliger russischer Arbeiter – entlang und werden unsichtbar im nassen Grau des Novembers.

Zwischen Aufbruch und Zusammenbruch.

Faszinierend vielseitig zwischen estnischer Folklore, sowjetischer Altlast und digitaler Bohème. Tallinn. Zerbrechliche Zukunft von einem kurzen Sonnenstrahl erwärmt, von der Euphorie der Digitalisierung beflügelt. Von dem Willen nach Freiheit getrieben. Dazwischen ein Relikt aus vergangener Zeit – Tallinns Altstadt – einst ehrwürdige Hansestadt.