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Poetry

Warten

Da stand ich nun in diesem Gang. Die Zimmernummern neben den grau gestrichenen Türen, der graue Steinboden unter meinen Füßen und dieses unsägliche matte leicht vergilbte Weiß an den Wänden all das erinnerte mich an eine Zeit, die schon lange zurücklag. Wie lange war das wohl her, 40 Jahre oder mehr, dass ich das letzte Mal in solch einem Gang stand und wartete. Wartete, dass sich die Tür öffnete und der Unterricht begann. Lang ist es her, dass ich selbst die Schulbank drückte.

Ich war zu früh, viel zu früh. Und glauben sie mir, dass passiert mir ganz selten mal. Aber heute hatte ich einen Auftrag direkt um die Ecke. Eine sonderliche, gar unhöfliche Frau, leicht in die Jahre gekommen und besserwisserisch. Den ganzen Tag kontrollierte sie mein tun, ließ mich keine Minute aus den Augen. Ich sehnte den Feierabend herbei und packte mein Werkzeug flink ein. Jetzt war ich hier, der erste wie mir schien. Zumindest war weit und breit keine Seele zu sehen. Einzig eine Stimme hinter der Tür war zu vernehmen, sie dozierte und erklärte mal auf Deutsch, mal auf Russisch. Wohl der wöchentliche Russischkurs. Ich war müde und erschöpft von dem langen Tag und schon seit 6 Uhr auf den Beinen. Am Ende des Ganges entdeckte ich diese Stühle, 5 an der Zahl, nebeneinander aufgereiht und mit schwarzen Stahlrohren zusammengeschweißt. Sie störten ein wenig die Symmetrie. Alles in diesem Gang folgte einer mathematischen Ordnung. Die weißen, runden Lampen, die an messingfarbenen Kabeln von der Decke hingen, die Türen, die zu den einzelnen Kursräumen führten. Ja sogar die Heizkörper hatten sich der Magie der Mathematik unterworfen, so schien es mir. Nur die Stühle, sie vielen aus dem Rahmen. Ich nahm auf einem der Stühle Platz. Tannengrün waren sie. Oh, wie ich diesen Duft des Waldes manchmal in dieser Stadt vermisse. Meine Hände glitten langsam über die glatte Oberfläche des Stuhles. Ich spürte dieses leblose Plastik. Es irritierte mich. Diese Stühle, sie störten nicht nur die Symmetrie, nein, sie stießen mich auch ab. Sie waren ohne Leben.

Ich stand auf. Ich hielt es nicht aus, auf ihnen zu sitzen. Solange ich lebe, möchte ich die Lebendigkeit und den Duft des Holzes spüren, mit meinen Händen seine Struktur entdecken und hören, wie es knarrt, wenn es sich bewegt. Holz ist lebendig. Und ich auch.